In einer Zeit, in der Unternehmen häufig ihr Engagement für soziale Belange wie Kinderschutz betonen, wirft der folgende Skandal ernsthafte Zweifel am tatsächlichen Bestreben, Kinder zu schützen, auf: die Rede ist von der Modemarke Balenciaga. Ende 2022 sorgte diese weltweit für Empörung, indem in einer Werbekampagne äußerst anstößige Bilder von Kindern präsentiert wurden. Und dabei handelt es sich nicht um einen Einzelfall: Auch das Beispiel Zara (-> interessierte Leser/innen finden hier einen Artikel zu dem Thema) verdeutlicht, dass Kinder und Jugendliche gerade in der Modebranche immer wieder Ausbeutung und Objektivierung ausgesetzt sind, während ihre Rechte und Schutzbedürftigkeit systematisch ignoriert werden.
Hintergrund und Ausmaß der Kampagne
Balenciaga, eine international bekannte Modemarke, geriet in den Fokus der Öffentlichkeit, als sie kürzlich in einer Weihnachts-Werbekampagne sexistische Kinderfotos verwendete. Denn zu sehen waren junge Mädchen im Kindergartenalter, die in sexualisierten Posen und aufreizender Kleidung in provokanten Situationen abgebildet wurden. Die Werbefotos zeigen, wie die Kinder mit BDSM-Accessoires ausgestattete Teddybären halten. Zu den besagten Accessoires zählen Nietenbesatz, Fesselgurte, Lederriemen und Netzoberteile. “Platziert” wurden die Kinder dabei zum Teil sogar auf einem Bett, umgeben von weiteren Balenciaga-Artikeln wie Schmuckstücke und Sonnenbrillen.
Eine andere Werbekampagne des Labels in Zusammenarbeit mit Adidas zeigt die sogenannte “Sanduhr”-Tasche liegend auf einem Berg von Unterlagen, platziert auf einem Tisch. Im ersten Moment nichts Außergewöhnliches. Doch bei genauerem Hinschauen wird klar: Bei den Unterlagen handelt es sich unter anderem um ein Urteil des US-amerikanischen Supreme Courts zum Thema Kinderpornografie.
(-> Hinweis: Balenciaga hat die betreffenden Fotos mittlerweile entfernt. Allerdings bieten zahlreiche Medienberichte weiterhin Darstellungen des Vorfalls.)
Warum die Darstellung der Fotos als Versagen im Kinderschutz gilt
Die Fotos der Kampagne wurden mit einem Ziel produziert: sie zu veröffentlichen und verbreiten. Dass Kinderfotos im Netz schon allgemein als ein Köder für Pädokriminelle gelten (-> interessierte Leser/innen findenhier einen Artikel zu dem Thema), daran wurde scheinbar nicht gedacht. Doch was das Ausmaß solch sexualisierter Bilder ist, ist kaum auszumalen. So wird nicht nur die Unschuld und Schutzbedürftigkeit der Kinder missachtet, auch werden sie objektiviert und ihre grundlegenden Rechte verletzt. Es ist laut Strafgesetzbuch (StGB), Paragraph 176 bis 184j, unethisch und gesetzlich verboten, Kinder für kommerzielle Zwecke oder zur Befriedigung der Interessen Erwachsener auszubeuten.
Die Kritiker/innen argumentieren zudem, dass die Verwendung solcher Bilder auch zu einer weiteren Normalisierung der Sexualisierung von Minderjährigen in der Gesellschaft beiträgt. Darüber hinaus tragen sie erheblich zur Verstärkung der Verbreitung, des Erwerbs, Besitzes und der Herstellung von Kinderpornographie bei. So sind die letzten veröffentlichten Zahlen (2022) auf einem Stand wie nie zuvor mit 42075 erfassten Fällen (Dunkelziffer ausgeschlossen).

Die Beteiligten des Kinderschutz-Skandals: von Fotograf bis Produktionsfirma
Eine Frage stellt sich beim Anblick der Fotos wohl immer wieder: Warum hat bei so vielen Mitwirkenden niemand etwas gesagt? Dass Balenciaga schon länger zuverlässiger Garant von kontroversen Diskussionen und Provokation ist, ist allseits bekannt. Doch warum wurde dieses Konzept überhaupt von Balenciaga ins Leben gerufen und von obersten Führungskräften genehmigt? Welches Ziel verfolgte der Designer Demna Gvasalia? Was dachten sich die Produktionsfirma North Six Inc. und der Bühnenbildner Nicholas Des Jardins bei der Umsetzung? Und warum hat der Fotograf Gabriele Galimberti sich bereit erklärt, die Kinder in solch einer sexualisierten Weise zu fotografieren? Sei es Ignoranz, Leistungsdruck, Unwissen – darüber kann wohl nur spekuliert werden.
Fakt ist laut diversen Medienberichten: Jede/r Beteiligte schiebt die Verantwortung auf den anderen, was deutlich zeigt: Es besteht eine absolute Notwendigkeit, dass Unternehmen und andere Kreative in der Werbe- und Modebranche ein tiefes Verständnis für die ethischen Grenzen ihrer Arbeit entwickeln und sich gegen die Umsetzung von Projekten wehren müssen, die die Würde und Rechte von Kindern oder anderen schutzbedürftigen Gruppen verletzen.
Vergessen und verziehen: Warum kaum Konsequenzen folgten
Einige Monate nach dem Skandal ist dieser fast schon wieder vergessen. Doch warum ist das so? Das liegt zum einen an dem Medienzyklus. Die Nachrichtenwelt ist oft schnelllebig, und die Medien konzentrieren sich auf neue, aufregende oder schockierende Geschichten. Bis dato sind bereits andere Ereignisse in den Nachrichtenzyklus eingetreten, die die Aufmerksamkeit von Balenciaga abgelenkt haben. Zudem reagierte das Modeunternehmen relativ schnell, wohlgemerkt unter Druck der Öffentlichkeit. So entschuldigte es sich zeitnah und entfernte die fraglichen Bilder. Warum keine rechtlichen Konsequenzen folgten, ist unbekannt. Auch neigen Verbraucher/innen manchmal dazu, Skandale schnell zu vergessen, insbesondere wenn sie keine direkten Auswirkungen auf ihr Leben haben. Die Menschen brachten ihre Empörung über Balenciaga zum Ausdruck, forderten aber keine Konsequenzen.
Gerade der letzte Abschnitt zeigt wieder einmal: Das Thema Kinderschutz und die gemeinsame Bekämpfung von Kindesmissbrauch hat nach wie vor einen viel zu geringen Stellenwert in unserer Gesellschaft.