Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS 2020) wird seit einigen Wochen nach und nach von den Bundesländern veröffentlicht. Der Gesamtbericht 2020 des BKA wird für den kommenden Herbst erwartet.
Auch die aktuellen Bevölkerungszahlen per 31.12.2020 von Destatis lassen noch auf sich warten. Das macht die Berechnungen der Fallzahlen in Relation zur Veränderung der Bevölkerung (innerhalb der betroffenen Altersgruppen), also Veränderung der Opferrate, nicht einfach bzw. unmöglich. Die ausschließliche Auswertung von absoluten Fallzahlen, erstaunlich weit verbreitet und unkritisch hingenommen, lässt kaum zielführende Aussagen zu.
Das Problem der offiziellen Statistik: absolute vs. relative Fallzahlen
Hierzu ein kleines Modell-Beispiel: Man nehme an, in der Stadt “X” leben 100.000 Einwohner. Davon sind 100 Kinder unter 14 Jahren. Sagen wir mal, in einem Jahr berichtet die PKS von 10 Fällen (bzw. 10 Fällen pro 100.000 Einwohner). Im nächsten Jahr werden 9 Fälle berichtet. Die Gesamtbevölkerung ist weiterhin 100.000. Und so ist die Zahl der Fälle pro 100.000 ebenfalls 9. Die Öffentlichkeit freut sich über einen Rückgang der Fälle von 10%.
Vergessen wird dabei leider zu oft die Relation der Fälle zu der entsprechenden Altersgruppe. Die 10 Fälle im ersten Jahr ergeben zunächst eine Häufigkeit von 10/100, also 10%. Stellen wir uns nun vor, dass sich die Zahl der Kinder in unserem Modell zwischen den Jahren halbiert (weil viele die Altersschwelle überschreiten und zu wenige Neugeborenen dazu kommen). Dann hätten wir im zweiten Jahr mit 9/50 Fällen eine Häufigkeit von 18% und damit eine fast Verdopplung.
Diese Perspektive stünde in einem krassen Gegensatz zur der offiziellen Statistik der absoluten Zahlen bzw. Zahlen pro 100.000 Einwohner. Bitte behaltet das im Hinterkopf.
Kindeswohlgefährdung in Deutschlands Großstädten
In der folgenden Auswertung haben wir uns mit den Fallzahlen der Kindeswohlgefährdung (PKS Schlüssel: 131000 Kindesmissbrauch und 223100 Kindesmisshandlung) in den großen Ständen Deutschlands (ab 100.000 Einwohnern) beschäftigt. Dazu haben wir uns eine entsprechende Aufstellung der Fallzahlen in den großen Städten 2013-2019 vom BKA anfertigen lassen (Tabelle auf Anfrage). Diese konnten wir dann mit den Einwohnerzahlen von Destatis verknüpfen (Daten liegen allerdings leider nur für 2019 und 2018 vor).
Wir begnügen uns hier bewusst mit einer Momentaufnahme für 2019 im Hinblick auf die absoluten Zahlen und Fallzahlen pro 100.000 Einwohner. Die Interpretation der Veränderung zwischen den Jahren macht aus oben beschriebenen Gründen keinen großen Sinn. Die Momentaufnahme der Situation in den Städten soll lediglich dazu dienen, die etwas abstrakten Zahlen auf Bundes- und Bundesland Ebene etwas greifbarer zu machen, sie etwas “näher” an den Betrachter zu rücken. Denn es passiert mitten unter uns.
- Absolute Fallzahlen in 2019

Bei den absoluten Zahlen belegt Berlin (erwartungsgemäß) jeweils die obersten Positionen. An dieser Stelle nochmals der Hinweis, dass bei einem Problemfeld mit einer unverhältnismäßig hohen Dunkelziffer hohe absolute Zahlen auch gute Ermittlungsarbeit signalisieren können.

2. Fallzahlen pro 100.000 Einwohner in 2019

Bei der relativen Zahlen pro 100.000 Einwohner stellt sich die Situation völlig anders dar. Rostock steht bei Kindesmisshandlung ganz oben und Jena bei Kindesmissbrauch. Und ja, das Bild ist, wie gesagt, ohne die exakte Zahl der Kinder in der Bevölkerung nicht vollständig. Ansätze für weitere Recherchen und Fragestellungen liefert diese Darstellung allerdings schon.

Die Karten und die Listen stehen auch in Form eines interaktiven Dashboards zur Verfügung. Bei Fragen zum Datensatz, Ideen, Anmerkungen, Fehlern schreibt uns gerne an.