Kinder mit Behinderung öfter Opfer von Gewalt und Missbrauch

Die Wahrscheinlichkeit, Missbrauch und Gewalt zu erleben, ist für Kinder mit Behinderung fast viermal so hoch wie für Kinder ohne Behinderung. Das zeigte bereits eine Untersuchung der PAHO und WHO im Jahre 2012. Ganze 3,6-mal häufiger sind Kinder mit Behinderung Opfer von körperlicher Gewalt und 2,9-mal häufiger Opfer von sexueller Gewalt.

Mädchen und Frauen mit Behinderung besonders betroffen

Das Bundesfamilienministerium befasste sich daraufhin genauer mit der Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland und kam zu dem Entschluss, dass besonders Mädchen und Frauen mit Behinderung von Gewalt und Missbrauch betroffen sind.

Die Studie zeigt, dass sie insgesamt dreimal häufiger Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend durchleben als Mädchen und Frauen ohne Behinderung. Die relativ gesehen am häufigsten von sexueller Gewalt belastete Gruppe ist jene, die in Einrichtungen in allgemeiner Sprache befragt wurde. Ganze 31% gaben an, mindestens eine Situation erlebt zu haben, die als sexueller Missbrauch zu definieren ist.

„Sexueller Missbrauch in Kindheit und Jugend (durch Erwachsene)“

Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend I Endbericht „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigungen in Deutschland“, S. 163

Bei den sexuellen Übergriffen handelt es sich laut der Befragten am häufigsten um sexuelle Berührungen an intimen Körperstellen, aber auch um das Bedrängen, die Täter/innen an intimen Körperstellen zu berühren oder das Erzwingen anderer sexueller Handlungen.

Abhängigkeit als Ursache

Einen primären Grund für Taten dieser Art stellt die Ausnutzung der Hilflosigkeit und der sozialen Abhängigkeit von Kindern mit Behinderung dar. Im Alltag, das bedeutet in der Schule, in Tagesstätten und Wohnheimen, aber auch bei ärztlicher oder therapeutischer Versorgung sind Kinder mit Behinderung gezwungen, ihrem Umfeld den eigenen Körper „anzuvertrauen“ – ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht: von dem Gang auf die Toilette über das An- und Ausziehen von Kleidung bis hin zur Einnahme von Mahlzeiten.

Durch diese Fremdbestimmung ist es den Kindern meist nicht möglich, ein eigenes, starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie werden in die Rolle der „erlernten Hilflosigkeit“ gedrängt. Die Folge: Intimsphären werden ausgenutzt und Grenzen schneller überschritten.  

Kaum Chancen auf Hilfe

Der Unabhängige Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs erklärt: Viele Kinder mit Behinderung werden kaum bis gar nicht über die Thematik Missbrauch und Gewalt aufgeklärt. Dieser Mangel an Informationen macht es den Betroffenen schwer, die Absicht von Tätern und Täterinnen einzuschätzen, geschweige denn, Hilfsangebote zu kennen. Kinder mit Behinderung sehnen sich außerdem meist vermehrt nach Zärtlichkeit, was sie extrem angreifbar für Missbrauch macht. Geistige und körperliche Einschränkungen sowie Kommunikationsbarrieren erschweren es, sich überhaupt Hilfe suchen zu können. Ein weiteres Problem: Den Kindern wird oftmals schlichtweg nicht geglaubt.

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

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