Kinderhandel und auch sexuelle Ausbeutung mögen für die Meisten weit entfernte Themen sein, werden sie doch oft mit osteuropäischen oder asiatischen Ländern in Verbindung gebracht. Doch spätestens nach der Veröffentlichung des Forschungsberichts „Ausbeutung Minderjähriger in Deutschland, Rumänien und Bulgarien“ im Jahr 2019 sollte klar sein: Kinderhandel und Ausbeutung ist auch in Deutschland Realität, sogar Alltag.
Kinderhandel, sexuelle Ausbeutung und Co.: eine Abgrenzung
Kinderhandel und kommerzielle sexuelle Ausbeutung werden UNICEF zufolge dem Term “Ausbeutung” untergeordnet. Dabei steht Kinderhandel in erster Linie als Synonym für „Verkauf von Kindern“: Es umfasst jede Handlung oder jedes Geschäft, mit denen ein Kind gegen Bezahlung oder für eine andere Gegenleistung von einer Person oder Personengruppe an eine andere übergeben wird. Die kommerzielle sexuelle Ausbeutung versteht sich hingegen als sexueller Missbrauch durch einen oder mehrere Erwachsenen, verbunden mit der finanziellen oder nicht-finanziellen Ausbeutung des Kindes.
Ausmaß von Kinderhandel in Deutschland
In Deutschland wird Menschen- und somit Kinderhandel in zwei offiziellen statistischen Quellen erfasst: der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und dem Bundeslagebild (BLB) Menschenhandel des BKA. Die abgebildete Statistik zeigt die Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von Kinderhandel in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2021. Demnach befindet sich die Zahl der Kinder, die Opfer von Kinderhandel wurden, konstant im ein- bis zweistelligen Bereich. Mögen die Schwankungen auch relativ konstant aussehen, so fällt trotzdem auf, dass sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben. Tendenz: steigend.

Zahlen im ein- bis zweistelligen Bereich? Die Statistik erweckt den Anschein, als würde Kinderhandel kaum verübt. Dies ist der fehlenden Datenlage zu Strafverfahren von Kinderhandel seitens der Justiz zu verschulden. Außerdem gibt es keine (!) Studien zu Dunkelziffern in diesem Bereich.
Ein weiteres Problem: Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) wird der Kinderhandel nach §236 als reiner Adoptionshandel beschrieben. Kinder, die Opfer anderer Ausbeutungsformen werden, werden somit häufig nicht als Opfer von Menschenhandel wahrgenommen.
Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern
Durch die oben abgebildete Statistik wird also nur ein gewisser Prozentsatz des eigentlichen Ausmaßes ersichtlich. Schauen wir uns deshalb ein weiteres Feld der Ausbeutung an: die kommerzielle sexuelle Ausbeutung. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Auszug aus dem Bundeslagebild 2020 und vergleicht die Jahre 2019 und 2020. Direkt ersichtlich ist der starke Anstieg fast aller Zahlen gegenüber den Vorjahresdaten. Klar dominierend: der sexuelle Missbrauch von Jugendlichen (98 Fälle im Jahr 2020, 50 Fälle 2019). Auch die Anzahl der Kinder, die zwangsprostituiert wurden, stieg von 33 auf 45 Fälle, ebenso wie die Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (27 Fälle im Jahr 2020 vs. 19 Fälle 2019).
Einen leichten Rückgang verzeichnete der allgemeine Menschenhandel (15 Fälle 2020 vs. 29 Fälle 2019). Die oben beschriebene Gesetzeslage wirft jedoch die Frage auf, wie aussagekräftig diese Daten überhaupt sind.

Altersstruktur minderjähriger Opfer
Wie gering die Datenlast zum Thema Kinderhandel und sexueller Ausbeutung ist, wird auch anhand der kaum vorhandenen Publikationen zur Altersstruktur der Kinder klar. Die folgende Darstellung aus dem oben genannten Forschungsbericht lässt Schlüsse auf eine aktuelle Verteilung des Alters der Kinder zu. 34 der identifizierten Opfer waren unter 14 Jahre alt, 180 zwischen 14 und 17 Jahren. Demnach sind die Opfer von Ausbeutung überwiegend ältere Minderjährige.

Fazit: Das Geschäft mit Minderjährigen boomt – auch in Deutschland. Fehlende Daten und aktuelle Gesetzeslagen erschweren es jedoch, das wahre Ausmaß von Kinderhandel, sexueller Ausbeutung und Co. zu erkennen. Allein aus diesem Grund fordert dieses Thema dringend mehr Aufmerksamkeit!