Kinder, die in Heimen leben, vor Gewalt und Missbrauch zu schützen, bedarf laut der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs einer besonderen Aufmerksamkeit. Denn ihre (psychische) Stabilität, Abwehrkräfte und Selbstvertrauen sind in den meisten Fällen geschwächt – was sie verletzlich und angreifbar macht.
Und trotzdem gehören ausgerechnet Heime zu den Institutionen, in denen Kindesmissbrauch immer wieder durchlebt werden muss.
Verteilung des Missbrauchsgeschehens in Institutionen
Laut des Abschlussberichts der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs werden Missbrauchsfälle am häufigsten im Zusammenhang mit kirchlichen Einrichtungen entdeckt, wie der Kirche selbst (44%), aber auch in Schulen (24%). Heime bilden mit 19% die drittgrößte Institution, in der Kinder Missbrauch erfahren müssen. Interessant ist, dass auch hier 8% der Einrichtungen religiös geprägt sind. Die Minderheit bilden Kliniken/Praxen (7%) sowie Vereine (5%).

Das Kinderheim – wie geschützt ist es wirklich?
Der Grafik folgend, stellt sich die Frage: Wenn gerade in stationären Einrichtungen auf besonderen Schutz geachtet wird, warum lautet dann in jedem fünften Fall der Tatort immer noch „Heim“?
Eine mögliche Erklärung könnten die zentralen Erfahrungen der in Heimen lebenden Kinder geben. Dazu erhob der Abschlussbericht der Beratung für ehemalige Heimkinder Daten von insgesamt 609 Betroffenen. Die Ergebnisse zeigen, dass Heimerfahrungen signifikant von Kindeswohlgefährdungen geprägt sind – das bedeutet: Kindesmissbrauch, physische und psychische Misshandlung sowie sexuelle Gewalt.
In 73% der Fälle haben die Kinder körperliche Strafen sowie Züchtigungen (446 Fälle) erlebt, dicht gefolgt von psychischer Misshandlung wie Abwertung (53%, 327 Fälle), Demütigung (49%, 296 Fälle) und Gehorsamkeit (46%, 281 Fälle). Auch scheint es alltägliche Praxis zu sein, durch Einsperren/Isolation (39%, 237 Fälle) oder Nahrungsentzug (15%, 92 Fälle) in die Freiheit der Kinder einzugreifen.
Eine zentrale Erfahrung zieht aber besondere Aufmerksamkeit auf sich: der sexuelle Missbrauch durch Erwachsene im Heim. 147 Befragte gaben an, vorrangig vom Personal (“sex. Missbrauch durch Erwachsene im Heim”) missbraucht worden zu sein – das bedeutet konkret: jedes 4. Kind!

Verdachtsäußerung bei Kindesmissbrauch
Mit der Tat ergibt sich oft ein großes Problem für betroffene Kinder: An wen können sie sich wenden? Denn in Heimen lebende Kinder und Jugendliche verfügen kaum über Vertrauenspersonen außerhalb der Einrichtung und sind in sehr hohem Maße auf verfügbare bzw. aufmerksame Ansprechpersonen angewiesen.
Dazu untersuchten die Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs weiter die jeweiligen Personen, die Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch im Heim beschäftigte Personen geäußert haben. Die Untersuchung ergab, dass es meist die Kinder selbst (60,6%) oder Anhänger/innen ihrer Peer-Group (27,3%) sind, die auf einen Missbrauch aufmerksam machen. Nicht einmal genannt sind in dieser Auswertung Kolleg/innen der Täter/innen.

Damit stellt sich abschließend die Frage: Wieviel Schutz vor Missbrauch und Gewalt können Heime den Kinder tatsächlich bieten?