Sexueller Kindesmissbrauch in organisierten rituellen Strukturen

Sexueller Kindesmissbrauch und Gewalt gegen Minderjährige geschieht in beinahe allen Lebensbereichen. Besonders die vermeintlichen „sicheren Häfen“ wie die eigene Familie und Institutionen werden dabei immer wieder zum Tatort. In anderen Fällen gehen Täter/innen so weit, dass sie sogar als Teil eines Netzwerks agieren, um (gemeinsam) Kinder und Jugendliche sexuell zu missbrauchen. Konkret wird dann von organisierter oder ritueller Gewalt gesprochen. Ganze 14% der betroffenen Kinder und Jugendlichen müssen sich dieser Art des Missbrauchs laut der Unabhängigen Kommission zur Aufklärung sexuellen Kindesmissbrauchs (UBKSM) aussetzen.

Organisierte und rituelle Gewalt: Definition und Abgrenzung

„Sexueller Missbrauch in organisierten Struk­turen meint sexualisierte Gewalt und Ausbeu­tung von Kindern, Jugendlichen und Erwach­senen durch untereinander bekannte und ver­netzte Täter und Täterinnen, die zielgerichtet, wiederholt und mit langfristiger Abhängigkeit der Betroffenen erfolgen“, so die Kommission. Steht hinter dem Handeln der Täter/innen eine ideologischer Gedanke, wird diese Gewalt­form als rituelle Gewalt oder ritueller Miss­brauch bezeichnet. Besonders Rechtsextremismus und Satanismus (24%), Christentum oder Adventisten (20%) und esoterisch-schamanistische Ideologien (7%) wurden in der Auswertung eines Bilanzberichts der UBKSM aus Anhörungen, Berichten und Online-Befragungen von Betroffenen als vorherrschende Ideologien benannt. 

Täter/innen von Kindesmissbrauch in organisierten rituellen Strukturen und deren Masche 

Aus einer publizierten Arbeit im oben genannten Bericht geht hervor, dass Täter/innen durch die Anwendung verschiedenster Arten von Gewalt Kontrolle über Betroffene ausüben. Einen großen Faktor nimmt dabei die gesellschaftliche Positionierung der Täter/innen selbst ein. Diese wird generell als angepasst bis angesehen beschrieben, oft üben sie sogar einflussreiche Machtpositionen in Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft aus. Eine weitere Säule bildet die strategische Manipulation durch Ideologien, um Betroffene an die Gruppe zu binden, Gewalttaten zu legitimieren und Widerstand zu hemmen. Auch psychische Manipulation, wie durch massive Traumatisierung zugängliche Verhaltenslenkung oder die Ausnutzung psychologischer Grundbedürfnisse, um Gruppenbindung zu erzeugen, wurde beschrieben. Eine besonders häufig verwendete Strategie: das sogenannte Gaslighting, welches eine gezielte Manipulation des Realitätsbewusstseins darstellt. 

Erlebte Gewalt und Missbrauch aus Sicht der Betroffenen

Durchschnittlich im Alter von 3 Jahren werden viele der betroffenen Kinder und Jugendlichen laut einer im Bilanzbericht dargestellten Studie erstmals missbraucht, wobei ein breites Spektrum an Gewalterfahrungen zu berichten ist. Besonders oft erfolgt schwere sexuelle Ausbeutung durch Kinderprostitution (67%) und Kinderpornografie (65%). Mehr als 24% wurden Opfer von Menschenhandel. Neben wiederholten Vergewaltigungen durch mehrere Täter/innen (85%) wurden häufig auch Nahtoderfahrungen (86%) und erzwungene Gewalt gegen andere Menschen (68%) genannt. 

Sexueller Kindesmissbrauch in organisierten rituellen Strukturen
Quelle: „Organisierte und rituelle Gewalt in Deutschland“ I S. 251
Folgen des Kindesmissbrauchs in organisierten rituellen Strukturen 

Die Betroffenen brauchten laut Nick et al. im Durchschnitt mehr als 24 Jahre, bis sie über das Erlebte sprechen konnten. Mehr als 91% der Teilnehmer/innen der Befragung bestätigten, dass infolge der frühen und wiederholten Gewalt dissoziative Persönlichkeitsanteile entstanden sind. Dabei gab mehr als die Hälfte an, dass diese Persönlichkeitsanteile von Täter/innen über Gewaltanwendung gezielt erzeugt wurden. Entsprechend häufig (85%) seien eine Komplexe posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) und die Dissoziative Identitätsstörung (DIS; 84%) diagnostiziert worden.

Einen Ausstieg haben bis dato 57% der Studienteilnehmer/innen geschafft. Polizei und Justiz wurden dabei nur von 1% als hilfreich erlebt.

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

Kommentar verfassen