Kindesmissbrauch im Erziehungs- und Bildungsbereich: Aktueller Entwicklungsstand von Schutzkonzepten

Welchen Schutz vor sexueller Gewalt werden Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft geboten? Setzen Einrichtungen, in denen Kinder sind, Schutzkonzepte um? Welche Widerstände müssen überwunden werden? Diesen Fragestellungen ist das Deutsche Jugendinstitut (DJI) im Auftrag des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) im gemeinsamen Abschlussbericht intensiv nachgegangen.

Rückblick 2010: Missbrauchsskandal und Kinderschutz 

Kurz nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten im Jahr 2010 hat der „Runde Tisch Sexueller Kindesmissbrauch“ einen Abschlussbericht erarbeitet, der die Forderung konkreter Maßnahmen bei pädagogischen Institutionen nach Schutzkonzepten verdeutlichte. Und schon damals zeigten weitere Recherchen zu dem Thema: Kinderschutzkonzepte sind Mangelware (-> interessierte Leser/innen findenhier einen Artikel zu diesem Thema). Doch in den letzten Jahren hat sich vieles getan. 

Positive Entwicklung in Kindertagesstätten 

In den vergangenen Jahren haben bundesweit viele Träger von Kindertageseinrichtungen Schutzkonzepte und Leitfäden zur Prävention von sexuellem Missbrauch formuliert. Das spiegelt sich auch in den absoluten Zahlen zum Umsetzungsstand von Schutzkonzeptbestandteilen wider. So können Kitas durchschnittlich acht von zehn der Elemente eines Schutzkonzepts vorweisen: (1) Leitbild, (2) Verhaltensregeln, (3) Partizipation der Betreuten/Eltern, (4) Ansprechstellen für die Beschäftigten/Betreuten/Schüler/innen, (5) Beschwerdeverfahren bei Fällen sexualisierter Gewalt, (6) Handlungsplan, (7) Präventionsangebote für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, (8) spezifische Fortbildungen für die Beschäftigten, (9) Kooperation, (10) Thematisierung von sexualisierter Gewalt in Bewerbungsgesprächen.

Quelle: „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (Kindertageseinrichtungen)“ I UBSKM & DJI I S. 42 

Im Vergleich zu der Auswertung aus den Jahren 2012/2013 haben damit etwa doppelt so viele Einrichtungen ein umfassendes Schutzkonzept entwickelt, die Anzahl an Kindertageseinrichtungen mit nur einzelnen Bestandteilen von Schutzkonzepten ist dagegen leicht gesunken.

Schutzkonzepte in Schulen ausbaufähig 

Im Bereich Schule stagniert diese Entwicklung verglichen mit dem Erhebungsjahr 2012/2013. Die befragten 1538 Schulen berichten, durchschnittlich sieben von neun Elementen der Schutzkonzepte wenigstens teilweise umgesetzt zu haben.

Quelle: „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (Schulen)“ I UBSKM & DJI I S. 53

Jede achte Schule (13 %) gibt an, nach eigener Einschätzung über ein umfassendes Präventionskonzept zu verfügen. Die Zahl der Schulen, die sich selbst ein umfassendes Präventionskonzept zuschreiben, stagniert jedoch im Vergleich zur vorherigen Monitoringwelle im Jahr 2013. Etwas mehr als ein Drittel der Schulen bejahen einen Unterstützungsbedarf zum Themenkomplex „Sexuelle Gewalt.“ 

Schutz vor Kindesmissbrauch in Heimen und betreuten Wohneinrichtungen 

Heime und sonstige betreute Wohnformen in der Jugendhilfe stellen Einrichtungen dar, in denen Kinder und Jugendliche überdurchschnittlich häufig von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Umso erfreulicher sind die Resultate, dass zum Erhebungszeitpunkt die befragten Einrichtungen über durchschnittlich neun von zehn Elementen von Schutzkonzepten verfügten.

Quelle: „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (Heime)“ I UBSKM & DJI I S. 64

Im Vergleich zur vorherigen Monitoringwelle ist ein statistisch signifikanter Anstieg von 24,5 % auf 32,5 % derjenigen Einrichtungen zu verzeichnen, die angaben, ein umfassendes Präventionskonzept zu besitzen. Der Anteil der Einrichtungen, die bisher nur einzelne Maßnahmen zur Prävention nutzten, ist im aktuellen Monitoring dagegen leicht zurückgegangen. In der aktuellen Erhebung sahen sich 16 % der befragten Einrichtungen noch am Anfang der Entwicklung eines Schutzkonzepts.

Auch das Internat auf richtigem Weg 

Obwohl über die Hälfte der Internate (51,5 %) angeben, bereits mehrere Maßnahmen zur Prävention sexueller Gewalt ergriffen zu haben, schreibt sich nur etwas über ein Viertel (27,8 %) ein umfassendes Präventionskonzept zu. Im Vergleich zur letzten Erhebung stellt dies eine kleine (signifikante) Zunahme des Anteils von Internaten mit einem, nach eigener Einschätzung, umfassenden Präventionskonzept dar (+8,4 %). Es wurde insgesamt angegeben, dass durchschnittlich acht von zehn Bestandteilen eines institutionellen Schutzkonzepts vorhanden seien. Wie in der Abbildung ersichtlich, gab beinahe jedes dritte Internat an, dass alle zehn Bestandteile von Schutzkonzepten in der Einrichtung existieren. Weniger als 10 % der befragten Einrichtungen haben fünf oder weniger präventive Elemente implementiert.

Quelle:  „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (Internate)“ I UBSKM & DJI I S. 77

Es gehört allerdings auch zu den Ergebnissen des Abschlussberichts, dass die Rahmenbedingungen für adäquate und ausgereifte Kinderschutzkonzepte in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen bei Weitem nicht überall günstig sind. Die finanzielle und personelle Ausstattung ist in vielen Bereichen verbesserungswürdig. Mitunter sollen lediglich einzelne Fachkräfte, hoch motiviert, aber ohne die Unterstützung ihrer Vorgesetzten, für den Kinderschutz einer ganzen Organisation sorgen. Kinderschutz muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Achtsamkeit als Selbstverständlichkeit verstanden werden. Wo Kinder sind, muss Kinderschutz sein. 

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

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