Nach dem §1631 BGB haben Kinder „ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“. Trotz dessen zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik Jahr für Jahr einen deutlichen Anstieg an Kindesmisshandlungen – und berücksichtigt dabei lediglich die offiziellen Zahlen. Ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist auch, dass Misshandlungen nicht immer äußerlich erkennbar sind, sondern in vielen verschiedenen Facetten auftreten können.
Der Diagnoseschlüssel T74 des ICD-10 unterscheidet vier Arten von Kindesmisshandlung: körperliche Misshandlung, sexuelle Misshandlung, psychische Misshandlung und Misshandlung durch Vernachlässigung.
Diagnose Kindesmisshandlung: die vier Arten im Überblick
Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin grenzt in ihrer Leitlinie die vier Bereiche voneinander ab.
Bei einer körperlichen Misshandlung erfährt das Kind eine äußere Gewalteinwirkung wie Schläge, Stöße, Stiche, Schütteln, Verbrennungen, Verbrühungen, nicht-akzidentelle Vergiftungen und andere.
Sexuelle Misshandlung hingegen beschreibt die aktive und/oder passive Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sexuellen Aktivitäten, denen sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes oder anderen Gründen nicht frei oder verantwortlich zustimmen können.
Psychische bzw. seelische Misshandlung bezieht sich auf alle Handlungen oder aktive Unterlassungen von Eltern oder Betreuungspersonen, die Kinder ängstigen, überfordern, ihnen das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermitteln und sie in ihrer seelischen Entwicklung beeinträchtigen können.
Vernachlässigung kombiniert meist körperliche und psychische Misshandlung. Dabei werden grundlegende Bedürfnisse wie emotionale Zuwendung, Ernährung oder Gesundheitsversorgung nicht ausreichend befriedigt, wodurch vermeidbare Gesundheitsschäden entstehen.
Vernachlässigung als meisterlebteste Form der Kindesmisshandlung
Das Statistische Bundesamt verglich insgesamt 55500 Fälle aus dem Jahre 2019 miteinander und deckte auf, dass mit 45% eine Misshandlung durch Vernachlässigung die mit Abstand häufigste Form von Kindesmisshandlung in Deutschland ist. Dem folgen die fast gleichanteilig vorkommende psychische Misshandlung (16%) und körperliche Misshandlung (15%). Die sexuelle Gewalt bildet mit 4% die am geringsten vorkommende Form der Kindesmisshandlung.

Kombination von Misshandlungsarten keine Seltenheit
Aus der obigen Abbildung lässt sich ebenfalls erkennen, dass jedes fünfte betroffene Kind mehrere Misshandlungsarten gleichzeitig erleben muss – im Jahr 2019 betraf das also rund 11200 Kinder und Jugendliche.
Eine weiterführende Studie des Statistischen Bundesamtes untersuchte die am häufigsten vorkommenden Kombinationen der Misshandlungsarten. Das Ergebnis zeigt sowohl Vernachlässigungen als auch psychische Misshandlungen als prägnante Kombination (6 % aller Fälle). Psychische und körperliche Misshandlungen treten am zweithäufigsten auf (ebenfalls 6 %). An dritter Stelle steht die Kombination aus Vernachlässigung und körperlicher Misshandlung (4 %).
