Kindeswohlgefährdung: Risikofaktor Armut und soziale Ausgrenzung

Bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie war in Deutschland nahezu jedes siebte Kind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war dieser Anteil der unter 18-jährigen zuletzt zwar niedriger als in den Jahren zuvor, trotzdem bieten Armut und soziale Ausgrenzung eine immer bedeutsamere Gefahrenquelle für das Wohlergehen vieler Kinder und Jugendlichen in Deutschland.

Von Armut betroffene Kinder: Ein EU-Vergleich

Am 20. November 1989 verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Kinderrechtskonvention, die Minderjährigen in 54 Artikeln grundlegende Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte zusichert. In den Artikeln 26 und 27 ist beispielsweise das Recht auf Leistungen der sozialen Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen verankert. Im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der EU ist der Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffenen Kindern und Jugendlichen in Deutschland mit ca. 15% zwar relativ gering, trotzdem ergibt dies immerhin eine Anzahl von ca. 2.250.000 Minderjährigen. Tendenz: steigend.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. N 076 vom 19. November 2020 und Statistisches Amt der Europäischen Union (Eurostat)
Soziale Ausgrenzung: Wenn Bildung und Co. zur Risikolage werden 

Auch (der Zugang zu) Bildung und soziale Aspekte wie das eigene Familienkonstrukt beeinflussen das Risiko einer potenziellen Kindeswohlgefährdung. Dabei gehen diese beiden Faktoren Hand in Hand, denn der Bildungsprozess von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hängt deutlich von deren familiären Hintergrund ab. So erfahren insbesondere Kinder und Jugendliche von Alleinerziehenden neben dem Finanziellen bildungsbezogene (24%) und sozialbezogene Probleme (29%). Auch Minderjährige aus Familien mit Migrationshintergrund erleben Bildung (24%) und Soziales (17%) als Risikolage. Insgesamt war in Deutschland 2020 nahezu jeder oder jede Dritte unter 18 Jahren von einer dieser Risikolagen betroffen (29 %). Auf 4 % der Kinder und Jugendlichen trafen alle drei Risikolagen zu. Auch hier gilt: Tendenz steigend.

Quelle: “Risikolagen der unter 18-Jährigen”, Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. N 076 vom 19. November 2020 und “Bildung in Deutschland 2020”, Autorengruppe Bildungsberichterstattung
Pro Tag mehr als 150 Fälle von Kindeswohlgefährdung 

Die Entwicklung der Risikolagen spiegelt sich folglich in den absoluten Zahlen der von Kindeswohlgefährdung Betroffenen wider. So lässt sich von den Jahren 2013 bis 2020 ein Anstieg der Anzahl der durch Jugendämter festgestellten Kindeswohlgefährdungen erkennen, ein leichter Rückgang wurde 2021 verzeichnet. Trotzdem wurden in dem Jahr insgesamt 59 948 Kinder und Jugendliche als gefährdet eingestuft, pro Tag entspricht das im Schnitt 164 betroffene Jungen und Mädchen. 

Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) I “Gefährdungseinschätzungen nach § 8a Absatz 1 SGB VIII – 2021”

Welche prozentualen Anteil die Faktoren Armut und soziale Ausgrenzung an den gesamten Fällen von Kindeswohlgefährdung einnehmen, lässt sich anhand der bisher publizierten Daten nicht genau bestimmen. Fest steht jedoch: Auch Armut und soziale Ausgrenzung beeinflussen Kindeswohlgefährdung, weshalb sie mindestens genauso viel Aufmerksamkeit und Handlung bedürfen, wie auch andere Risikofaktoren. 

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

Kommentar verfassen