Kindeswohlgefährdung: Wer meldet einen Verdacht?

Es könnte fast als exponentielles Wachstum betitelt werden – die Rede ist von der Entwicklung der Zahlen jener Kinder, die in den letzten Jahren vom Jugendamt als „gefährdet“ eingestuft wurden. Lag diese laut des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2012 noch bei 38283, so stieg sie gut 10 Jahre später auf fast 59948 (2021). Und auch die erfassten Fälle, bei denen zwar keine Kindeswohlgefährdung, wohl aber Hilfebedarf vorliegt, ist in dieser Zeit um das Doppelte gestiegen (2012: 33884 Fälle, 2021: 67658 Fälle). 

Aber wer erkennt und – ganz wichtig – meldet eigentlich, dass ein Kind gefährdet ist? Insbesondere unter dem Aspekt, dass der aktuelle Wissensstand zumindest zum Thema “Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen” eher gering ausfällt (-> interessierte Leser/innen finden hier einen Artikel zu diesem Thema). 

Diese Frage gilt es zu erörtern. 

Rückgang der Hinweise auf Kindeswohlgefährdung aus Schulen, aber Anstieg aus der Bevölkerung

Ein Blick auf die Gesamtentwicklung zeigt einen durchgängigen Aufwärtstrend der Anzahl der Meldungen. Dieser Trend wird zum Großteil in den Kategorien der einzelnen Hinweisgeber/innen übernommen. Die Meisten der vom Statistischen Bundesamt verzeichneten Hinweise auf Kindeswohlgefährdung stammen aus den Kategorien “Verwandte, Bekannte, Nachbarn und anonym” sowie “Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft”. 2020 lag dieser Anteil beispielsweise bei jeweils 27%. Dabei zeigt die erstere Gruppe mit einem Anstieg der Hinweise um insgesamt 9 100 Fälle (+21 %) gegenüber 2019 eine überdurchschnittliche Zunahme auf.

Auffällig ist lediglich eine Kategorie: die Schule. Bereits im Vorfeld der Corona-bedingten Lockdowns hatten Expert/innen davor gewarnt, dass insbesondere durch die Schul- und Kita-Schließungen Kinderschutzfälle unentdeckt geblieben sein könnten. Und diese Annahme scheint sich zu bestätigen. So ist die Anzahl der eingegangen Gefährdungseinschätzungen von Schulen im Jahr 2020 entgegen dem allgemeinen Trend (+12 % an Verdachtsmeldungen gegenüber 2019) – um 1,5 % zurückgegangen (-291 Fälle). Diese Entwicklung steht im Kontrast zu den Vorjahren: Denn 2018 wurden insgesamt 15 % (+2 140 Fälle) und 2019 sogar 17 % (+2 847 Fälle) mehr Fälle seitens der Schule gemeldet.



Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 350 vom 21. Juli 2021

(-> Hinweis: Bei den Zahlen aus der Kategorie „Gefährdungseinschätzungen insgesamt“ handelt es sich um die absolute Anzahl der Meldungen, nicht um durch das Jugendamt bestätigte Fälle.)

Kindeswohlgefährdung 2021: Die meisten Hinweise von der Polizei, die Zuverlässigsten von den Betroffenen selbst

Werden die obigen Daten nun durch jene des Jahres 2021 ergänzt, lassen sich minimale Veränderungen feststellen. So wurde ein leichter Anstieg von +1% an Meldungen seitens der Polizei oder Justizbehörden verzeichnet (28 %), wohingegen jene seitens der Bevölkerung (Verwandte, Bekannte, Nachbarn oder anonym) um -3% auf 25% fiel. Danach folgt die Kinder- und Jugend- sowie Erziehungshilfe (13 %). Jeweils etwa ein Zehntel der Hinweise gaben die Schulen (10 %) und die Familien selbst, also die betroffenen Minderjährigen (2 %) oder deren Eltern (7 %).

Wieder fällt bei dieser Abbildung eine Entwicklung im Bereich Schule auf. So konnte der Abwärtstrend (-1,5%, 2020) durch eine Zunahme der Verdachtsmeldungen um 5 % (+ 1 000 Fälle) im Jahre 2021 umgekehrt werden. Allerdings liegt dieser Anstieg (wie die allgemeine Entwicklung auch) immer noch deutlich unter denen der letzten beiden Jahre vor der Corona-Pandemie.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 340 vom 11. August 2022

Einen wichtigen Punkt gilt es noch hervorzuheben: Denn so wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren die besonders zuverlässigen Hinweisgeber/innen wohl die betroffenen Minderjährigen selbst. In 61 % der Selbstmeldungen haben die Jugendämter 2021 den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung anschließend bestätigt. Auch die Meldungen aus der Kinder- und Jugendhilfe, Erziehungshilfe (50 %) und aus dem Gesundheitswesen (37 %) erwiesen sich überdurchschnittlich oft als zutreffend.

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

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