Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2020 für das ganze Bundesgebiet wird von dem Bundeskriminalamt wohl erst in ein paar Wochen veröffentlicht werden. Die Statistiken der Bundesländer, die in den großen Bericht einfließen, kommen werden aber seit ein paar Tagen nach und nach veröffentlicht. Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sind z. B. mit ihren PKS Veröffentlichungen schon soweit. Wer sich für die Details interessiert und nicht auf den Report des BKA warten möchte, kann schon heute mit den Recherchen beginnen.
Genau das haben wir gemacht und nehmen uns heute mal speziell Nordrhein-Westfalen vor. Unser Interesse gilt natürlich der Frage, wie sich die Gewalt gegen Kindern im Corona Jahr entwickelt hat. Die Öffentlichkeit wurde im Laufe von 2020 und auch in diesem Jahr oft genug an das Schicksal der Kinder im Lockdown (ohne sichtbare Ergebnisse) hingewiesen.
Die ersten offiziellen Zahlen zum Kinderschutz während Corona kamen kürzlich von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendstatistik (AKJStat). In der entsprechenden Studie wurden die
Verfahrenszahlen der teilnehmenden Jugendämter ausgewertet mit einem nicht ganz eindeutigem Ergebnis. Dazu mehr hier. Um so interessanter ist nun die Perspektive der Polizei.
In der Presse-Mitteilung der Polizei NRW zur PKS 2020 heißt es optimistisch, dass sich der erfolgreiche Trend bei der Bekämpfung der Kriminalität fortsetzt. “Kriminalität in NRW weiter auf Tiefstand”. Das ist super. Ganz kurz erwähnt die Presse-Mitteilung ganz zum Schluss den Anstieg im Bereich Kinderpornographie (4.776 Fälle, +102,5%!!) und Kindesmissbrauch (3.553 Fälle, +19,5%).
Seltsamerweise wird der Bereich Misshandlung von Kindern (Schlüssel 223100) in dieser traurigen Reihe der Gewalt gegen Kinder ausgelassen. Nun, es waren “gerade mal” 684 bekannt gewordenen Fälle.
Im Jahresvergleich liegt auch hier ein Anstieg vor und zwar von 604 auf die besagten 684 Fälle. Das ist ein Anstieg von +13,24% bei den absoluten Fallzahlen. Es ist der höchste Punkt und der höchste relative Anstieg in der Zeitreihe für Nordrhein-Westfalen seit 2013.

Ein Blick auf die Zahlen in Relation zu der Bevölkerung in NRW ist aktuell noch nicht möglich, da die aktuellen Bevölkerungszahlen für 2020 eben noch nicht vorliegen. Nach unserer Berechnung lag die Zahl der Fälle in 2019 bei 24,23 pro 100.000 Kinder unter 14 Jahren. Setzt man heute als Schätzung die gleiche Zahl der Kinder in NRW an, kämen wir auf *27,44 geschätzte Fälle pro 100.000 Kinder.
„Die Fälle sind nicht mehr geworden, wir sehen sie nur endlich. Der Anstieg ist ein trauriges Arbeitszeugnis unserer Anstrengungen. Weil wir hinsehen und konsequent verfolgen, finden wir mehr. Wir hellen das Dunkelfeld auf.”, wird der Innenminister Reul zitiert.
Das stimmt unserer Meinung nach zum Teil. Ja, ein Anstieg der bekannten Fälle in einem Bereich mit einem großen Dunkelfeld kann positiv interpretiert werden. Dass die nicht bekannten Fälle “nicht mehr geworden” sind, ist dagegen eine gewagte Aussage, für die wir keine konkreten Anhaltspunkte sehen.