Sexueller Kindesmissbrauch: zu viele Fälle, zu wenig Verurteilungen

Dass die Zahlen der Fälle von Kindesmissbrauch Jahr für Jahr explodieren, belegt die Statistik der polizeilich erfassten Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern in Deutschland von 2009 bis 2020. Demnach wurden im Jahr 2020 ganze 14594 Fälle von Kindesmissbrauch bei der Polizei registriert. (Ausführliches Zahlenmaterial und Datenvisualisierungen in unserem Report 2013-2020).

Dennoch – wie viele dieser Täter/innen werden tatsächlich verurteilt? Und wie sieht das Strafmaß für derartige Vergehen überhaupt aus? Das Statistische Bundesamt befasste sich im Jahre 2020 mit genau dieser Frage.

Sexueller Kindesmissbrauch: Urteile in Zahlen

Wie die folgende Abbildung zeigt, wurden in 2020 von den 14594 registrierten Fällen lediglich 1753 Personen nach §176 StGB abgeurteilt (Definition) und 1336 verurteilt.

Wegen Straftaten an Kindern Abgeurteilte und Verurteilte 2020 nach Art der Straftat und Zahl der Opfer
Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2021, Fachserie 10 Reihe 3, Rechtspflege, S. 520

Das bedeutet im Klartext: In nur 9,2% der registrierten Missbrauchsfälle wurden im Jahr 2020 die Täter/innen für ihr Vergehen bestraft! Ganze 417 (1753 – 1336) der abgeurteilten Personen wurden offenbar von ihrer Tat freigesprochen oder es wurde von einer Strafe abgesehen.

Sexueller Missbrauch von Kindern Fälle und Verurteilungen 2020
Quelle: PKS 2020, Statistisches Bundesamt (DeStatis) s.o.
Welches Strafmaß erwartet Täter/innen bei sexuellem Kindesmissbrauch?

Sexueller Kindesmissbrauch wurde bisher mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren (in Härtefällen) bestraft. 2021 wurden diese Grenzen aufgrund massiver Kritik auf 1 bis 15 Jahre angehoben. Unterschieden werden sollte in diesem Zusammenhang aber unbedingt zwischen Verbrechen und Vergehen. Verbrechen sind Straftaten, die mit mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden, Vergehen sind alle anderen Delikte (Definition § 12 StGB).

Laut des Bundeskriminalamtes (Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer, Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2020) liegt im Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs ein Verbrechen vor, wenn der Täter oder die Täterin körperlich in das Kind eindringt (mit dem Finger, via Geschlechtsverkehr oder Oralverkehr), der Täter oder die Täterin das Kind beispielsweise „lediglich“ an der unbekleideten Brust streichelt – dies jedoch filmt, um das Video anschließend zu verbreiten oder wenn mehrere Personen zusammenwirken und ein Kind in sexueller Weise berühren.

Bei einem Vergehen fallen die Strafen mit einer Mindestdauer von 6 Monaten deutlich niedriger aus. Dies tritt in jenen Fällen ein, in denen der Täter oder die Täterin alleine handelt und das Kind in sexueller Weise berührt oder sich von diesem berühren lässt, ohne dass es zu einem Eindringen in den Körper kommt.

Gibt es überhaupt keinen körperlichen Kontakt, wie in Fällen von sexualisierten Nachrichten oder pornografischen Bildern, so handelt es sich um ein Vergehen mit einer Mindeststrafe von 3 Monaten. Zu beachten ist auch, dass eine Freiheitsstrafe nicht gleich Gefängnisstrafe bedeutet. So wird diese zum Beispiel oftmals auch „nur“ zur Bewährung ausgesetzt.

In Anbetracht dieser Informationen stellt sich abschließend die Frage, wie viele der 1753 abgeurteilten Personen schlussendlich doch noch Zugang zu Kindern haben – und das teils, während sie ihre Strafe verbüßen.

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

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