Dass Gewalt gegen Kinder in Deutschland an der Tagesordnung steht, ist längst kein Geheimnis mehr. Allein 2019 gaben über 8200 von 55500 Kindern an, körperlich misshandelt worden zu sein (->interessierte Leser/innen findenhier den zugehörigen Artikel). Die Ergebnisse einer weiteren Befragung deckten das eigentliche Ausmaß von Gewalt gegen Kinder auf: Dort wurde ermittelt, dass fast jedes zweite Kind innerhalb eines Jahres körperliche Gewalt erlebt hatte.
Doch was sind die Gründe dafür, dass Kinder überhaupt Gewalt erleben müssen? Diese Frage beschäftigte auch die Universität Bielefeld und die Bepanthen Kinderförderung. In ihrer Gewaltstudie befassten sie sich deshalb unter anderem mit der Thematik, inwiefern die erfahrene Gewalt vom sozioökonomischen Status des Kindes abhängt.
Untersuchungsdesign der Studie
Für die Studie wurden die Daten von insgesamt 900 Kindern und Jugendlichen analysiert. Das jüngste befragte Kind war 6, die älteste jugendliche Person 16 Jahre alt. Zudem wurde der sozioökonomischen Status der Kinder und Jugendlichen beziehungsweise ihrer Familien oder Erziehungsberechtigten anhand dreier Kategorien erhoben: prekär, durchschnittlich und privilegiert. Diese Zuteilung erfolgte auf der Basis von Variablen wie dem Nettoeinkommen, Beruf und Schulabschluss.
Gewalt gegen Kinder vor allem in prekärer Schicht
Die Befragung der Kinder und Jugendlichen wurde von zwei zentralen Fragen geleitet: „Bist Du von Erwachsenen schon mal geschlagen worden?“ und „Bist Du von Erwachsenen schon einmal so geschlagen worden, dass Du blaue Flecken hattest?“
Die Ergebnisse dieser Fragen zeigen eindeutig: Gewalt ist keine „Schicht-Frage“. Trotzdem ist offensichtlich, dass es in prekären Schicht häufiger zu Gewalt gegen Kinder (6 bis 11 Jahre) kommt. Insgesamt gaben 32,5% dieser Kinder an, „oft“ oder „manchmal” von Erwachsenen geschlagen worden zu sein. Bei 17,1% war eine so starke Form der Gewalt erkennbar, dass die Kinder dadurch verletzt wurden (blaue Flecken). Bei denjenigen, die durchschnittlich bis privilegiert aufwuchsen, wurde Gewalt zwar im Vergleich weniger erlebt (29,3% und 6,6% sowie 22,7% und 1,4%) – aber dennoch erlebt.
Parallel gaben 14% der Eltern aus prekärer Lage an, ihr Kind in der letzten Woche geohrfeigt zu haben, bei den privilegiert lebenden Eltern sind es weniger als 1%.

Prekäre und privilegierte Jugendliche fast gleichermaßen von Gewalt betroffen
Die Gewalterfahrungen von Jugendlichen (12 bis 16 Jahre) können weniger eindeutig mit dem sozioökonomischen Status assoziiert werden. Wie die Studie ermittelte, wurden 22,1% der prekären Jugendlichen und 17,9% der privilegierten Jugendlichen Opfer von Gewalt – also „oft“ oder „manchmal“ geschlagen. 6,4% bzw. 3,0% erlebten blaue Flecken als (körperliche) Folge des Missbrauchs. Jugendliche mit einem durchschnittlichen sozioökonomischen Status wurden laut der Befragung etwas weniger häufig körperlich missbraucht (12,9% geschlagen, 2,6% bis hin zu blauen Flecken).

Fazit: Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gibt es überall – in jeder sozialen Schicht, in der eigenen Familie, im Sportverein usw. Und eines haben sie alle gemeinsam: Die Gewalt passiert oft dort, wo sie am wenigsten erwartet wird.