Kinderschutzkonzepte im Gesundheitsbereich: Ein Status Quo

Krankenhäuser und ambulante Praxen sind Orte, an denen Kinder, Jugendliche und ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten Unterstützung bei gesundheitlichen Fragen und Problemen finden. Insbesondere in Bezug auf das Erkennen und die Behandlung von Folgen sexueller Gewalt spielen diese Einrichtungen eine entscheidende Rolle. Allerdings können auch in Gesundheitseinrichtungen selbst Risikofaktoren auftreten, die das Überschreiten von Grenzen fördern, da je nach Art der Therapie und des zugrundeliegenden Problems unterschiedliche Grade an körperlicher Berührung und emotionaler Nähe erforderlich sind.

Nach der Untersuchung des gegenwärtigen Fortschritts von Kinderschutzkonzepten im Bereich Erziehung und Bildung (-> interessierte Leser/innen findenhier einen Artikel zu diesem Thema), ist es ebenso wichtig, den Gesundheitssektor genauer unter die Lupe zu nehmen und zu bewerten.

Kinderschutzkonzepte in Kliniken ausbaufähig 

Trotz der Tatsache, dass Kliniken nicht im Zentrum der öffentlichen Debatte stehen, legen veröffentlichte Präventionsansätze nahe, dass sich Krankenhäuser in den vergangenen Jahren zunehmend dem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt verschrieben haben. Zur genaueren Beurteilung wurden deshalb im Rahmen einer Recherche des Unabhängigen Beauftragen für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) Leitungen von insgesamt 165 Kliniken zum Stand der Prävention sexualisierter Gewalt befragt. Den eigenen Angaben zufolge haben die beteiligten Krankenhäuser im Durchschnitt sieben der neun Elemente der Schutzkonzepte umgesetzt: (1) „Leitbild“, (2) „Verhaltensregeln“, (3) „Partizipation der Betreuten/ Eltern“, (4) „Ansprechstellen für die Beschäftigten/Betreuten“, (5) „Beschwerdeverfahren bei Fällen sexualisierter Gewalt“, (6) „Handlungsplan“, (7) „Spezifische Fortbildungen für die Beschäftigten“, (8) „Kooperation“ und (9) „Thematisierung von sexualisierter Gewalt in Bewerbungsgesprächen“.

Quelle: „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (Kliniken)“ I UBSKM & DJI I S. 100

Nur etwa 20% der Kliniken gaben an, über ein umfassendes Präventionskonzept zu verfügen. Im Vergleich zur früheren Analyse (2012/2013) zeigt sich ein geringer, aber signifikanter Zuwachs von 6% bei den Kliniken mit einem umfassenden Schutzkonzept. Fast die Hälfte der Kliniken (51,9%) äußerte den Wunsch nach mehr Hilfe bei der Erarbeitung oder Implementierung ihrer Maßnahmen.

Ruf nach Entwicklung von Kinderschutzkonzepten in Arztpraxen und Einrichtungen des ambulanten Gesundheitsbereichs

Weiter wurden im Rahmen der Untersuchung 1157 aus Arztpraxen und gesundheitsbezogenen Einrichtungen zum Status Quo ihrer Kinderschutzkonzepte befragt. Durchschnittlich existieren in den teilnehmenden Praxen drei der fünf abgefragten Präventionsmaßnahmen: (1) „Spezifische Fortbildungen für die Befragten und deren Beschäftigte“, (2) „Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Behandlungs- bzw. Therapiesetting“, (3) „Schriftlich festgehaltene Verhaltensregeln zum Umgang mit minderjährigen Patientinnen und Patienten“, (4) Beschwerdeverfahren bei Fällen sexualisierter Gewalt“ und (5) „Nutzung von Leitfäden zur Wahrnehmung von Anhaltspunkten für sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen“. Nur 4,7 % der befragten Praxen gaben an, über alle abgefragten Elemente zu verfügen.

Quelle: „Umsetzungsstand der Schutzkonzeptbestandteile (ambulanter Gesundheitsbereich)“ I UBSKM & DJI I S. 111

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer/innen (54,6%) äußerten den Wunsch nach zusätzlichen Weiterbildungsangeboten, um besser mit Fällen mutmaßlicher sexualisierter Gewalt umgehen zu können. Darüber hinaus sahen 68,4% der befragten Einrichtungen Bedarf an praktischen Hilfsmitteln wie Checklisten und Vorlagen für die Dokumentation.

Insgesamt sind umfassende Kinderschutzkonzepte bisher lediglich in einem geringeren Anteil der Gesundheitseinrichtungen vorhanden. Dennoch sind einzelne Bestandteile zumindest teilweise existent. Eines wird innerhalb des Berichts aber sehr deutlich: Der Bedarf von Fachkräften an geeigneten Weiterbildungsangeboten. 

AKTUELLER LINK: Interaktiver Report PKS 2013-2022

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